Warum Neuwahlen niemandem nützen

Mit der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Ministerpräsidenten am 5. Februar begann im Freistaat eine veritable politische Krise, die noch immer andauert. Die Chance, die rot-rot-grünen Wahlverlierer auf die Oppositionsbänke zu verweisen, wurde vertan. Am Krisenmodus ändert auch der sogenannte Stabilitätspakt zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU nichts. In diesem Pakt heißt es u. a.: “Der Stabilitätsmechanismus bindet beide Seiten bis zur Verabschiedung des Haushalts 2021 im Dezember 2020.” Vereinbart wurde zudem, dass die vier Parteien zwar eigenständig parlamentarische Anträge einbringen, jedoch “die dafür erforderlichen Kompromisse nur untereinander” suchen.

Eine Neuwahl im April nächsten Jahres erfordert die Auflösung des Thüringer Landtags, was wiederum einen entsprechenden Auflösungsantrag (Artikel 50 Absatz 2 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen) nötig macht. Der Auflösungsantrag muss von mindestens einem Drittel der Abgeordneten, also von mindesten 30 Mitgliedern des Landtags, unterzeichnet sein. Der Landtag müsste darüber dann frühestens am elften Tag und spätestens am 30. Tag nach der Antragstellung abstimmen. Für eine Auflösung des Landtags müsste der Antrag mit Zwei-Drittel-Mehrheit, also von mindestens 60 der 90 Abgeordneten, angenommen werden. Dazu braucht Ramelow 16 Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Wenn der Landtag seine Auflösung beschlossen hat, muss es eine Neuwahl des Landtags geben. Die Neuwahl müsste innerhalb von 70 Tagen nach der Verkündung des Auflösungsbeschlusses erfolgen. Demzufolge müsste bei einem ins Auge gefassten Neuwahltermin am 25. April 2021 spätestens am 2. Februar 2021 ein Auflösungsantrag gestellt werden.
Eine Neuwahl über die Vertrauensfrage herbeizuführen, wäre ein echtes Kasperletheater! Die rot-rot-grüne Regierungskoalition müsste dem eigenen Ministerpräsidenten das Misstrauen aussprechen, damit der Rosstäuschertrick gelingt. Ein solches Vorgehen wäre sowohl eine Brüskierung der Wähler als auch ein Eigentor für die Linken. Das Parlament und die Demokratie wären nachhaltig beschädigt. Wie wollte ein „gestürzter“ Ministerpräsident Ramelow vermitteln, dass er dann erneut als Spitzenkandidat antritt? Vor allem aber: Was wäre, wenn ausgerechnet AfD-, FDP- und CDU-Stimmen dafür sorgen würden, dass er im Amt bleibt? Denn eine eigene Mehrheit hat Ramelow nicht!

Gründe dafür, dass Neuwahlen eher auszuschließen sind:

Landtagswahlen sind teuer. Sowohl für das Land als auch für die Parteien selbst. Dem MDR zufolge hat der Landtags-Wahlkampf die Linke rund 780.000 Euro gekostet, die nach der Wahl gebeutelte SPD brachte 650.000 Euro auf, bei den Grünen waren es auch rund 540.000 Euro. Auch ein stark verkürzter Wahlkampf könnte noch teurer werden – „Express“ kostet nun mal mehr als „normal“.
Mindestens zwei Parteien müssen um ihren Wiedereinzug zittern. Sowohl für die FDP als auch für die Grünen war bereits die Wahl 2019 eine Zitterpartie. Erneute Wahlen könnten für sie zum Desaster werden. Und auch der Wiedereinzug der SPD wäre alles andere als ausgemacht.
Die CDU ist derzeit in einer komfortablen Lage, die sie nicht um einer rot-rot-grünen Mehrheit willen riskieren wird. Eine Neuwahl könnte sie wie bereits 2014 bis 2019 zu politischen Statisten verdammen. Jetzt können sie zumindest Rot-Rot-Grün ausbremsen, wenngleich nicht selbst gestalten. Neuwahlen könnten dazu führen, dass eine regierungsfähige Mehrheit nur von Linken und CDU gebildet werden könnte. Diese Gretchenfrage möchte die CDU nicht beantworten müssen.
Die Einsicht in allen Fraktionen wächst, dass man nicht so lange wählen kann bis es irgendwie „passt“. Zudem müssten zahlreiche Abgeordnete um ihren Wiedereinzug in den Landtag fürchten.
Für Grüne und Linke kommt entweder der April oder der September als Wahltermin unpassend. Die Grünen werden sich gegen einen Wahltermin im April sperren, da sie vom Bundestrend dann nicht profitieren können. Und die Linken werden nicht für einen Termin zeitgleich mit der Bundestagswahl plädieren, dass sie dann vom „Landesvater“-Bonus eher weniger profitieren würden.
Die SPD würde sich durch Neuwahlen nicht deutlich verbessern, im Gegenteil. Zu beiden möglichen Wahlterminen könnte eine Konstellation entstehen, dass die SPD zur Regierungsbildung nicht benötigt wird.

Summa summarum: Rot-Rot-Grün wurde im Oktober 2019 abgewählt. Alle Bürgerlichen können kein Interesse an Neuwahlen haben, die sie dann fünf Jahre lang zu Statisten von Ramelow & Co. macht.

Karlheinz Frosch

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